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1661 - Volquard Iversen Schiffbrüchig auf Mauritius Der letzte Bericht über die Dodos
Als wir auf das Land getreten, gingen wir geschwinde zu einem Rivir, welches nicht fern von unserer Anfuhrt, labten und erquickten unsere matte durstige Seele. Es hat mir wol mein Lebtag kein Trunk besser geschmeckt als dieser. Wir waren aber sehr matt und schwach auf unseren Beinen, daß wir kaum gehen kunten, dann wir die ganze Zeit über, nemlich in 10 Tagen weder trucken noch nasses genossen und nur allein durch unseren Urin uns erhalten. Wir blieben selbige Nacht beisammen auf dem Lande sitzen. Es kam ein starker Regen und Wind über uns, und hatten nichts, worunter wir uns bergen kunten, unser viel hatten auch nicht viel Kleidung an, dann wir waren nur wie wir giengen und stunden nur in Hosen und Wambst vom Schiffe gesprungen. Folgenden Morgen, da wir nun frisches Wasser zu trincken genug hatten, waren wir auch bedacht, wie wir unseren Hunger stillten, giengen und suchten, einer hier, einer dort, funden Senff-Blätter, die wir aßen, auch am Strande etliche Krabben oder Taschenkrebse und Schnecken , die wir roh aßen, weil wir kein Fewer hatten, und uns sehr wol schmeckten. Folgende Nacht erhob sich ein erschrecklich Ungewitter mit starken Winden und Platzregen, mit solchem Sausen und Brausen, als wenn alle Elemente über einen Hauffen fallen wollten. Solch Wetter nennen sie Orkan, welches zuzeiten mit vieler Schiffe Untergang einzufallen pflegt. Wir sassen unter blossem Himmel und mit großem Frost im Wasser, das Wasser schlug aus der See zu uns aufs Land, daß wir darin zu sitzen kamen, war uns anfänglich nicht so beschwerlich als das Regenwasser, weil jenes wärmer, da es aber zu hoch kommen wollte, musten wir höher hinauf ins Land nach dem Gebirge weichen, da uns dann das vom Gebirge herunter stürzende kalte Regenwasser noch beschwerlicher fiel, vermeynten auch nicht anders, hier würde das Ende unseres Lebens seyn; baten Gott nur um sein seliges Ende, wenn es ja sein Wille, daß wir hier umbkommen solten. Gott aber gab Gnade, daß es mit dem angehenden Tage wieder still wurde. Wenn wir in diesem Wetter noch auff der See mit unserem Bothe gewesen, hätten wir ohne allen Zweiffel untergehen müssen. Wir kunten ja hieraus handgreiflich Gottes Providenz und barmhertzige Vorsorge für uns abnehmen; daß er uns einen Tag zuvor der wilden See hat entnehmen wollen. Gott wollte seine wunderbare Güte und Hülffe an uns erweisen, daß wie sie andern auch bekand machen solten. Folgenden Tag giengen wir und suchten, ob nicht ein Ort zu finden, da wir uns vor dem Regen bergen kunten, und trafen eine hole Klippe an, unter welcher wol 200 Man trucken stehen kunten. Hernach zertheilten wir uns, giengen, suchten Speise, funden viel Palmiten, nahmen die Gipfel von dem Palmbaum, welche zart und sich wol essen liess, das war unser Brod. Wir funden ein Stück von einer alten Brücken, daraus schugen wir Nägel, schliffen sie spitz, banten sie an Stöcke, giengen darmit ans Ufer, welches klaren Sand führete, da sahen wir viel junge Rochen, die stachen wir. Andere machten Netze von Bast und fingen am Rivir gute Fische, bekamen auch Eusters, Schnecken und Schildpadden, musssten aber alles roh essen, denn wir hatten kein Fewr, wussten auch nichts zu machen, weil von dem grossen Regen und Wassergüssen alles naß. Die Schiffer mit den Bootsleuten resolvierten sich mit dem Bothe von Insel ab- und nach Madagascar zu gehen und zu sehen, wie sie weiter fort und wieder nach Indien kämen; hatten große Mühe, ehe sie das Both, so durch das Ungewitter weit aufs Land getrieben, wieder ab und ins Wasser zu bringen. Ihrer 13 setzten sich darein, namen mit sich, was sie zur Nothdurfft finden kunten, und fuhren von uns ab; haben ferner keine Nachricht von ihnen gehabt. Wir vermeynten, daß wir auf dieser Insel wol zurecht kommen und eine zeitlang Lebensmittel haben wollten, wenn wie nur Fewr und Saltz, daran es uns mangelte, hätten. Wir baten Gott inniglich, daß er uns dazu verhelfen wollte, wie es auch endlich geschehen. Ein alter Mann von den unsrigen gieng in den Busch, fand dürres Mooß an einem Baume, schlug mit einer Pistol, die er in der Angst ohne Pulver mit vom Schiff genommen, Funcken darein, bließ es auff und bekam also Fewr. Es war zu verwundern, daß wir es zuvor offt vergeblich versuchet hatten, und uns nun glückete, worüber große Freude unter uns entstund; wir schleppten dürre Reiser und Bäume zusammen und macheten erst ein groß, hernach etliche Fewre an unterschiedlichen Örtern an, daß, wenn eines verleschete, die andern noch blieben. Wir begaben uns darauff voneinander, die aber gute Cameradschafft gepflogen und im Bothe bey und auff einander gesessen hatten, 5 oder 6 Personen, blieben beieinander. Giengen meist am Stande hin und kamen an ein Rivir, welches in ein Inwig oder Pfütze, so die See im außtreten machete, und fast ein Pistolenschuß breit war, einfiel. Wir wurden gewahr, daß viel Fische darin waren und sprungen, welche, wenn es ebbete, mit dem Wasser wieder in die See liefen. Wir maßen den Mund oder Eingang zu diesen Inwig, daß er nicht tiefer als uns über die Knie ging, war ohngefehr drey Faden breit: selbigen satzten wir in der Mitte zu mit vielen, einen guten Daumen breit voneinander gebundenen Stöcken, und wurde in der Ebbe ganz trucken; wir beschlossen also eine ungläubliche Menge schöne, zimlich große Fische, die wir wol in 2 Tagen nicht alle hätten zehlen können. Wir riefen unsere anderen Parteyen auch herzu und nam jeglicher so viel er wollte, rissen sie auf und dürreten sie an der Sonnen und theils im Rauche, da es unmöglich, daß wir alle kochen und braten kunten. Weil wir aber kein Saltz hatten und nur mit Seewasser die Fische besprengeten, hatten wir wenig Gedeyen darbei, bekamen kurzen Athem darnach: Wir namen eine Art Saltz zu machen vor, wie ich es auf Aboina gesehen: nemlich wir legten auf einem platten Steinfelß viel Holtz zusammen, zündeten es an, und gossen immer Seewasser darein, und wenn zu Aschen gebrand, taten wirs in ein Leinentuch, gossen Saltzwasser darauf und macheten Lauge, selbige kochten wir in Coquernuß-Schalen und bekamen gut weiß Saltz, über welches unsere anderen Parteyen, so kamen uns zu besuchen, sich verwunderten, und lernten solche Saltzsieder-Kunst auch von uns. Weil wir nun Fewr, Saltz und überflüssig Fische hatten, bekamen wir bey der Fischspeise auf Lust, Fleisch zu essen. Wir sahen wol Vögel, Feldhüner, wilde Böcke und ander Wild, waren aber so matt, daß wir ihnen nicht nachjagen kunten, musten uns eine zeitlang mit den Fischen behelfen. Als aber ein Regen kam und unsere von der Sonnen noch nicht recht gedörrete Fische naß wurden, begunten sie zu stincken und macheten uns den Ort zuwider. Wir giengen derwegen fürder und kamen an ein groß Rivir, machten eine Hütte und gedachten unsere Wohnung eine zeitlang daselbst zu haben, in dem wir aber fünff Tage daselbst logieret, kamen auch andere von unsern Leuten dahin zu lagern, die wir nicht gerne sahen, verliessen deswegen diesen Ort und giengen bey einer halben Meil am Strande hinauff und sahen etliche kleine Inseln, unter welchen uns eine, so etwas hoch und viel Buschwerck hatte, sonderlich gefiel, weil wir sahen, da das Wasser gefallen war, daß wir ohne schwimmen und nur mit durchwaden dran gelangen kunten, namen unsere Gereitschaft und machen uns darmit zu derselben. Wir funden auf der kleinen Insel einen Bach mit frischem Wasser, in welchem gute Fische. Unfern vom selben Bach macheten wir unter einem Baum eine gute Hütte, in welcher wir vor dem Regen und großer Hitze sicher seyn kunten. Wir funden auch allhier viel wilde Böcke und allerhand Arten Vogelwerck, welche nicht gar scheu, weil sie vielleicht nicht gewohnt, Menschen, die sie verfolgen, zu sehen. Sie stunden, sahen uns an und ließen uns nahe hinzu kommen. Unter anderen Vögeln warn auch so sie in Indien Dodderse [Dodo; dies ist vermutlich die letzte Erwähnung dieses flugunfähigen Vogels, der seit spätestens 1690 ausgestorben ist] nennen, seynd grösser als die Gänse, kunten zwar nicht fliegen (weil sie stat der Flügel nur kleine Fittige), aber gar schnell laufen: wir jagten sie einer dem andern zu, daß wir sie mit Händen greifen kunten, und wenn wir einen am Bein festhielten, und er ein Geschrey machte, kamen andere herzu gelauffen, dem gefangenen zu helffen, und wurden selbst mit gefangen. Auch bekamen wir etliche Berghüner daselbst. Wilde Böcke konnten wir haben so viel wir wollten. Wir jagten sie auff einen Huck oder Ecke, so vom Lande etwas außging, und gleichwie eine Peninsul machet, und giengen alle fünff nebeneinander auff sie los und ergriffen sie. Derer etliche von den alten waren in die Ohren geschlitzt, mochten vermutlich von den Holländern, als sie die Insel Mauritius bewohnet, dahin versetzt worden seyn. Wir bekamen auch viel von den Land- und See-Schildpadden, deren etliche so groß, daß sie zwene oder drey Männer auff ihnen sitzend fortziehen können: schmeckten so delikat als Hünerfleisch; die Schilde davon gebrauchten wir zu unseren Gefäßen. Da wir nun nicht allein gute Fische, sondern auch Fleisch von Hünern und anderen Vögeln, Bock- und Ziegenfleisch vollauf hatten, selbige gesotten und gebraten genießen kunten, auch viel von den Palmiten daselbst funden: die Cronen, Hertz oder Gipffel darauf, welche gar weiß und zart, und sehr lieblich zu essen, abschnitten. Item wir Wein de Palma zu bekommen und zu trincken lernten, lebten wir so delikat und wol, daß wir uns vorgenommen, daselbst ein Jahr zu verharren. Etlich wären wol willens gewesen, zeit ihres Lebens dar zu bleiben, wenn sie nur Kleidung und Frawenvolk, wozu sie nach den delicaten Speisen Lust bekamen, gehabt hätten. Der Palmwein schmeckte uns so wol, daß wir uns offt lustig darbei macheten und unserer guten freunde Gesundheit darin truncken. Wir lebten so in den Tag hinein und hatten vergessen den Tag des Monats und der Wochen. Wir giengen einst zur Ebbezeit unser vier hinüber zur großen Insul, so etwa einen Falconet-Schuß von der kleinen gelegen, umb unsere Mitbrüder zu besuchen; wir trafen an unterschiedlichen Örtern, an einem 5, am anderen 7 Personen an, die etwas mager aussahen; sie verwunderten sich, daß wir so fett und stark ihnen vorkamen; hatten auch etwas Saltz bey uns und lerneten ihnen nach obgesetzter Art Saltz zu machen, worüber sie sich freuten. Als wir ein fünff Tage auf der großen Insel ferner herumbspazieren gegangen und unser Mitbrüder Gäste gewesen waren, die auch gelernet hatten zu fischen und Wild zu jagen, giengen wir an den Strand und sahen von ferne ein Schiff ankommen, welches unserem Vermuten nach auff dieser Insel seine Verfrischung holen wollte, wusten aber nicht, an welchem Ort sie ankommen würden. Namen derwegen etwas Speise zu uns und giengen bis an den dritten Tag fast meist am Strande hin und funden sie eine gute Ecke vom Strande vor Anker liegen; wir wurden froh und machten ein Zeichen mit einem aufgesteckten Hemde, daß Leute an Land wären. Es kamen auch etliche vom Schiff auf einem Bothe zu uns und fragten, was unser Begehren; wir berichteten, daß unser schiff verlohren, wären mit einem Bothe in großer Gefahr hier angekommen und eine geraume Zeit allhier gewesen, baten, daß er unser etliche wollte mit an Bort nehmen, damit wir mit dem Capitain sprechen möchten. Sie sagten, dass sie solches für sich nicht tun dürfften, musten zuvor den Capitain fragen, fuhren davon, kamen aber bald wieder und führten uns ans Schiff; wir baten den Capitain nach Erzehlung unseres Unglücks, daß er uns möchte behilflich sein mit ein par Töpffen, Messer, Beil, mit einer Mußqueten, Pulver und Blei, auch Leinen oder Segeltuch zu Kleidern, Nadeln und Zwirn, und auch etwas Pfeffer und Ingwer, Pflaster und etwas Arzney, welches er uns auch nicht abschlug. Sagte, daß er uns gern damit bedienet seyn wollte, aber es wäre besser, daß wir mit ihm ins Patriam segelten. Orientalische Reisebeschreibung von Volquard Iversen in: Olearius, Adam (Hg.) Orientalische Reisebeschreibungen Schleswig 1669
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